Wie wirkt eigentlich Koffein?

Koffein ist die bekannteste und am besten erforschte Substanz im Kaffee. Der grundlegende Effekt des Koffeins im zentralen Nervensystem besteht in einer die Psyche anregenden und die Ermüdung verzögernden Wirkung. Erklärt werden die beiden Effekte mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen. 

Aufnahme von Koffein

Nach dem Kaffeetrinken wird Koffein nahezu vollständig aus dem Dünndarm in die Blutbahn aufgenommen. Es benötigt etwa 45 min, um nach dem Trinken von Kaffee das gesamt Koffein zu resorbieren. Allerdings ist der maximale Spiegel im Blut schon nach etwa 15 – 20 min erreicht. Etwa nach dieser Zeit setzt auch die Wirkung im Gehirn ein. Die Aufnahme des Koffeins wird durch unmittelbar zuvor eingenommene Mahlzeiten verzögert.

Wie verzögert Koffein die Ermüdung?

Nervenzelle, Adenosin und Rezeptorwirkung
Abbildung 1: Wenn eine Nervenzelle im Gehirn arbeitet, produziert sie Adenosin. Das ist ein Restprodukt beim Energieverbrauch, der wieder verwendet werden kann. Wie ein Schlüssel zum Schloss kann sich Adenosin an die dazu passenden Gegenstücke an der Nervenzelle binden (Rezeptoren), die dadurch aktiviert werden. Die aktivierten Rezeptoren signalisieren der Nervenzelle, dass eine Pause notwendig ist – wir werden müde und weniger konzentriert (sog. negatives Feedback).
Nervenzelle - Koffein - Rezeptor
Abbildung 2: Die anregende Wirkung des Koffeins beruht auf der Bindung an den Rezeptor, der eigentlich für Adenosin vorgesehen ist. Im Gegensatz zur Verbindung des Rezeptors mit Adenosin wird der Rezeptor durch Koffein nicht aktiviert. In der Folge entfällt die negative Rückkopplung zur Nervenzelle – wir werden weniger schnell müde.

Als Nebenprodukt unseres hohen Energiestoffwechsels im Gehirn entsteht eine Substanz, die Adenosin heißt. Adenosin bindet sich an sog. Rezeptoren, die sich auf den Verbindungsbahnen der Nervenzellen zueinander befinden. Die Rezeptoren werden durch das Adenosin aktiviert und signalisieren der Nervenzelle, dass sie schon länger aktiv ist. Die Nervenzelle verringert deshalb ihre Aktivität. Die Aktivitätsminderung entsteht nach und nach in vielen Nervenzellen, wir werden müde. Also: je länger unser Gehirn auf Hochtouren arbeitet, um so mehr Adenosin entsteht und desto müder und unkonzentrierter werden wir (Abbildung 1). Da Koffein eine ähnliche chemische Struktur wie Adenosin hat, bindet es sich an denselben Rezeptor. Aber im Gegensatz zu Adenosin aktiviert Koffein den Rezeptor nicht. Gleichzeitig verhindert Koffein die Bindung von Adenosin (Abbildung 2). Damit bekommt die Nervenzelle weniger Signale, ihre Aktivität zu verringern und arbeitet einfach weiter. In der Folge sind wir weniger schnell müde und bleiben länger wach und konzentriert.

Koffein und Adenosin konkurrieren also um die gleichen Rezeptoren. Daher ist die Wirkung einer bestimmten Menge Koffein von der Zahl der Rezeptoren und der Menge Adenosin abhängig. 

Stimulierende Wirkung

Neben der Verringerung der Ermüdbarkeit führt Koffein zu einer angeregten und aktivierenden Stimmung. Die Ursache hierfür ist noch nicht ganz klar. Sie liegt wahrscheinlich in der Anregung unseres Belohnungssystems, welches in Gehirnbereichen vermutet wird, die als Corpus striatum und Amygdala bezeichnet werden. Damit gelingt es vielen Kaffeetrinkern, beschwingter in den Tag zu starten. In gleichem Maße sind diese eher mißgestimmt, wenn die morgendliche Koffeindosis ausbleibt.

Schlafstörungen

Wenn wir in der zweiten Tageshälfte Koffein zu uns nehmen, stört das den Nachtschlaf. Das gilt nicht nur für Menschen, die keine Gewöhnung an Koffein haben, sondern auch für alle dauerhaften Kaffeetrinker. In den meisten Fällen äußert sich die Schlafstörung nicht in einer Ein- oder Durchschlafstörung, sondern vor allem in einer verminderten Qualität des Schlafes. Die verminderte Schlafqualität wird nicht bewußt erlebt, führt aber zu einer geringeren nächtlichen Erholung mit morgens empfundener Müdigkeit. Die Folge ist das morgendliche Bedürfnis nach „einer Tasse Kaffee“ als Start in den Tag. Wird die Koffeinaufnahme dann über den gesamten Tag wiederholt, ist der Erholungseffekt des Schlafes in der folgenden Nacht erneut eingeschränkt.  Daraus entsteht ein wiederkehrender Kreis aus morgendlicher Müdigkeit, empfundenem Koffeinbedarf über den Tag und einem wenig erholsamen Nachtschlaf.

Sucht und Gewöhnung

Koffein hat ein geringes bis mittleres Suchtpotential. Das Suchtpotential entsteht zum einen durch den verminderten Effekt des Wachbleibens. Zum anderen vermindert sich mit der wiederkehrenden Koffeineinnahme auch die als euphorisierend und stimulierend empfundene Wirkung. Somit wird zur Aufrechterhaltung der vom Koffeinkonsumenten erwarteten Effekte eine immer größere Dosis notwendig. Gleichzeitig fordert unser Belohnungssystem im Gehirn immer wieder auch die Belohnung ein, die mit der Einnahme von Koffein empfunden wird. 

Das Bedürfnis nach Koffein wandert mit der Zeit in unser Unterbewusstsein und bewirkt hier den wiederkehrenden Drang, Koffein aufzunehmen. Interessanterweise glauben wir dann, es wäre unsere bewußte Entscheidung, weiteren Kaffee zu trinken. In Wirklichkeit wird diese Entscheidung jedoch durch unser Unterbewusstsein getroffen. In der Folge verändert der gewohnheitsmäßige Kaffeetrinker unbewußt sein Konsum-Verhalten, indem Kaffee trinken dann nicht mehr ein bewußtes Ereignis, sondern eine durch unser Unterbewusstsein gesteuerte und nebenbei ablaufende Gewohnheit ist. 

Wesentlicher Grund für die verminderte Wirkung von Koffein ist die Vermehrung der Adenosin-Rezeptoren an den Nervenzellen infolge der ständig wiederkehrenden Blockade durch das Koffein. Das passiert, weil der Nervenzelle durch die ständige Blockade und Inaktivität der Rezeptoren quasi signalisiert wird, dass zur Aufrechterhaltung einer normalen Situation mehr Rezeptoren benötigt werden. In der Folge werden in der Nervenzelle einfach mehr Rezeptoren hergestellt. Mehr Rezeptoren bedeuten, dass Adenosin wieder den üblichen Ermüdungseffekt und Koffein weniger Wachheits-Effekt bewirken können. Subjektiv empfinden wir das als verminderte oder fehlende Wirkung des Kaffees.

Koffeinentzug

Bei regelmäßiger täglicher Koffeinzufuhr führt bereits eine Pause von ein bis zwei Tagen zu deutlichen Zeichen des Koffeinentzugs. Diese zeigen sich in Kopfschmerzen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit und dem wiederkehrenden Wunsch, mal eben kurz schlafen zu wollen. Alle diese Entzugserscheinungen sind harmlos und verschwinden bei anhaltender Koffeinabstinenz nach drei bis fünf Tagen von selbst. Erfolgt in dieser Zeit eine erneute Koffeinaufnahme, verschwinden die Entzugssymptome ebenfalls. 

Warum ist das so? Unser Gehirn produziert immer Adenosin. Wie schon beschrieben, vermehrt eine chronische Koffeineinnahme jedoch die Zahl der Adenosin-Rezeptoren an der Nervenzelle. Trinken wir nun keinen Kaffee mehr und nehmen kein Koffein auf, dann heftet sich Adenosin ohne Koffein-Konkurrenz an die große Zahl vorhandener Rezeptoren und entfaltet damit eine intensive Wirkung. Wir werden sehr schnell sehr müde. 

Wenn wir einige Zeit kein Koffein mehr aufnehmen, vermindert die Nervenzelle die Zahl der Rezeptoren auf das normale Maß. Das benötigt ein wenig Zeit, aber nach einigen Tagen ist die Zahl der Rezeptoren wieder normalisiert. Das Verhältnis der Adenosin-Menge zur Zahl der Rezeptoren wird wieder ausgeglichener. Nun werden nicht mehr so viele Rezeptoren durch Adenosin aktiviert. Daher entsteht jetzt das gewohnte und von unserer Aktivität und der Tageszeit abhängige Müdigkeitsgefühl.

Wirkungen im Körper außerhalb des Gehirns

Neben seiner Wirkung im zentralen Nervensystem entfaltet Koffein an zahlreichen Organen und Organsystemen eine Wirkung. Hauptsächlich gehören dazu folgende:

  • Beeinflussung der Darmbewegung
  • erhöhte Wasserausscheidung über die Niere
  • Anstieg der Herzfrequenz und der Pumpkraft des Herzens
  • Ausschüttung des Stresshormons Cortisol
  • Verminderung des Glukosespiegels nach fettreicher Mahlzeit

Alle diese Wirkungen haben Einfluss auf unsere Gesundheit, vor allem bei langfristiger Betrachtung. Die Auswirkungen sind mittlerweile durch Beobachtungen an großen Menschengruppen mit z.T. mehreren hunderttausend Teilnehmern über mehrere Jahre recht gut gesichert. Ein ausführlichere Darstellung finden Sie demnächst in dem Beitrag „Kaffee – Lebenselixier oder Sargnagel?“.

Abbau von Koffein

Der größte Teil des Koffeins wird hauptsächlich von einem Enzym mit dem Namen Cytochrom P450 umgewandelt und ist dann nicht mehr wirksam. Dieses Enzym kommt überall in unserem Körper in reichlichem Maße vor, da es vielfältige Funktionen hat. Außerdem werden ca. 16 % des aufgenommenen Koffeins in der Leber verarbeitet und zur Ausscheidung vorbereitet. Die Ausscheidung erfolgt über die Nieren. 

Konzentration des Koffeins im Blut
Abbildung 3: Zeitlicher Verlauf der Resorptionsmenge und der Höhe des Spiegels von Koffein im Blut. Bereits nach etwa einer Stunde ist nahezu das gesamte Koffein aus dem Dünndarm resorbiert. Das Maximum des Blutspiegels von Koffein wird nach etwa 15 – 20 min erreicht. Nach etwa 2,5 bis 4 Stunden ist die Hälfte des aufgenommenen Koffeins abgebaut (Halbwertzeit).

Aus der Aufnahme und dem Abbau von Koffein entsteht eine Kurve der Konzentration von Koffein im Blut. Wenn die Hälfte der aufgenommenen Menge Koffein aus der Blutbahn wieder entfernt ist, sprechen wir vom Erreichen der sog. Halbwertzeit. Die Halbwertzeit für Koffein wird nach etwa 2,5 bis 4 Stunden erreicht. Das bedeutet, dass nach etwa 2,5 bis 4 Stunden die Hälfte des aufgenommenen Koffeins abgebaut und nicht mehr wirksam ist. Es gibt dazu in der verfügbaren Literatur unterschiedliche Angaben, die sich jedoch in der wesentlichen Aussage nicht unterscheiden (Abbildung 3). 

Wichtig zu wissen ist jedoch, dass sich die Halbwertzeit bei Rauchern etwa um die Hälfte verkürzt, während sie sich bei Frauen, die orale Kontrazeptiva einnehmen, etwa verdoppelt. Damit verändert sich natürlich auch die empfundene Koffeinwirkung, die bei Rauchern also eher geringer und bei Frauen mit Einnahme von Kontrazeptiva eher erhöht ist.

Paradoxe Reaktion auf Koffein

Seit einiger Zeit wird vor allem im Internet über das Auftreten einer sog. paradoxen Reaktion nach Einnahme von Koffein diskutiert. Dabei geht es darum, dass nach dem Trinken von Kaffee nicht der übliche Effekt der Verminderung der Ermüdung eintritt, sondern das Gegenteil. Personen mit einer paradoxen Reaktion auf Kaffee oder ganz allgemein auf Koffein werden entspannter und müder und können angeblich besser einschlafen.

Sieht man sich die Quellenlage zu diesen Diskussionen an, so findet sich nicht allzu viel. Letztlich scheint nahezu alles auf einige wenige Zeitungsartikel zurückzugehen. Diese werden jedoch leider nicht korrekt zitiert, sondern es werden nur Bruchstücke an Informationen herausgenommen, die vermeintlich eine solche paradoxe Reaktion beweisen. 

Richtig ist, dass es bei Personen mit dem sog. ADHS-Syndrom zu beruhigenden Effekten nach Einnahme von Koffein kommen kann. Hierzu gibt es Beobachtungen aus klinischen Anwendungen. Allerdings hat sich diese Methode im Umgang mit dem ADHS-Syndrom nicht durchgesetzt.

Für den typischen Kaffeetrinker kann ein solcher Effekt nicht gezeigt werden. Hier gilt, dass bei sporadischem Konsum von Kaffee mit einer ausgeprägten Koffein-Wirkung und entsprechender Wachheit zu rechnen ist. 

Wie oben beschrieben, wird bei chronischem Kaffee-Konsum die Koffein-Wirkung jedoch eher als gering empfunden. Daher besteht bei diesen Personen die Möglichkeit, dass sie trotz Koffein-Einnahme nach kurzer Zeit müde werden und auch einschlafen können. Es handelt sich hier jedoch um einen Gewöhnungseffekt, nicht um eine paradoxe Reaktion auf Koffein.

2 Antworten auf „Wie wirkt eigentlich Koffein?“

  1. Toller Beitrag, dieZusammenhänge sind sehr verständlich dargestellt.
    Ich hatte auch nach meinem Koffeinentzug Kopfschmerzen, die dann nach einigen Tagen verschwanden.
    Jetzt geht es auch wunderbar ohne Koffein.

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