Hexenjagd

Newsletter #7

Was ist nur los in diesem Land? Da äußert sich ein junger Mann freimütig und ehrlich vor einer Kamera auf die Frage eines Journalisten zu einer sehr persönlichen Angelegenheit und wird anschließend ob dieser Meinungsäußerung in massiver Form von Medien und zumindest einem Politiker unter Druck gesetzt und verbal massiv attackiert.

Der Fußballer und der Politiker

 

Joshua Kimmich erklärt, warum er nicht geimpft ist
Abbildung 1: Ausschnitt aus der Online-Publikation vom 23.10.21 zur Erklärung von Joshua Kimmich (vollständiger Artikel hier)

Aber der Reihe nach: Joshua Kimmich, 25 Jahre alt, seines Zeichens ein Profi-Fussballer im Angestelltenverhältnis bei Bayern München, hat am 23.10.21 nach einem Bundesliga-Spiel auf die entsprechende Frage eines Reporters hinsichtlich seines Impfstatus erklärt, dass er bisher noch nicht geimpft sei. Und dies mit einer gewissen Unsicherheit begründet, da es noch keine Langzeitstudien zu dem Impfstoff gäbe (Abbildung 1). Hier wird flankierend bereits in der Überschrift der Online-Publikation ein suggestiver Bezug zwischen einem jungen Mann, der sich bisher nicht der Impfung gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 unterzogen hat, diese aber auch nicht grundsätzlich in Frage stellt, und einem sogenannten „Corona-Leugner“ hergestellt.

Karl Lauterbach kritisiert Kimmichs Impfskepsis
Abbildung 2: Ausschnitt aus der online-Publikation zum Kommentar von Karl Lauterbach vom 24.10.21 zur Erklärung von Joshua Kimmich (vollständiger Artikel hier)

Darauf folgten am 24.10.21 zwei Reaktionen. Zum einen fühlte sich der Politiker Karl Lauterbach bemüssigt, Joshua Kimmich für seine „Impfskepsis“ zu kritisieren (Abbildung 2). Wohlgemerkt: Hier wird nicht in der Sache kritisiert, sondern die Person an sich hinsichtlich einer abwartenden Haltung gegenüber einer Impfung. Während also Joshua Kimmich in seiner Äußerung zu recht darauf hinweist, dass es bisher keine Langzeitstudien zum Erfolg und den Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe gibt, denn es gibt sie tatsächlich nicht und kann es aufgrund der Kürze der bisherigen Anwendungszeit gar nicht geben, wird hier von einem deutschen Politiker die freie Willensbildung der Person Kimmich angegriffen und kritisiert; und nur zur Verdeutlichung: Herr Lauterbach ist benannter Gesundheitspolitiker der SPD und nicht irgendein Nachbar, der eben eine andere Meinung hat. Es geht dabei also nicht um die Auseinandersetzung hinsichtlich bisheriger Kenntnisse zu Wirksamkeit und Risiko der eingesetzten Impfstoffe auf kurze und lange Sicht, sondern ausschließlich um die Meinung an sich, die nicht passt und daher schleunigst korrigiert werden muss. Als ob ein Mensch wie Joshua Kimmich, so prominent er auch sein mag, nicht das Recht dazu hätte, über den Umgang mit seinem Körper eine ganz persönliche und nicht-öffentliche Entscheidung zu treffen, für die er niemandem Rechenschaft schuldet und die schon gar nicht einer moralischen Bewertung durch Dritte unterliegen kann.

Der Fussballer und die Journalisten

Artikel: Das verheerende Missverständnis des Joshua Kimmich
Abbildung 3: Ausschnitt aus der online-Publikation vom 24.10.21 zur Erklärung von Joshua Kimmich (vollständiger Artikel hier)

 

Zitat aus dem Online-Artikel: Das verheerende Missverständnis des Joshua Kimmich
Abbildung 4: Zitat aus der in Abb. 3 aufgeführten Online-Publikation von n-tv vom 24.10.21

Zum anderen befleißigten sich am gleichen Tag dann auch noch zwei Journalisten von n-tv, in das gleiche Horn zu blasen und drehten die Spirale des Druckaufbaues noch einige Umdrehungen weiter (Abbildung 3). Auch diese Ausführungen beziehen sich in keiner Weise auf eine sachliche Erörterung der von Joshua Kimmich benannten Gründe für seine Vorsicht. Zur Wahrung des Scheins wird zunächst das verfassungsmäßig garantierte Recht auf Wahrnehmung der Persönlichkeitsrechte und der Bestimmung über den eigenen Körper betont, als ob es dazu in diesem Zusammenhang überhaupt bedürfte. Um dann mit an Zynismus kaum zu überbietender Wendung ein moralisches Szenario aufzubauen, welches der gleichen Person eine massive Gefährdung der „Allgemeinheit“ bei nicht erfolgter Impfung unterstellt (Abbildung 4); und als wäre es damit nicht schon genug, wird dann auch noch der Begriff „Solidarität“ bemüht.

Artikel: Nagelsmann verpasst auch nächstes Bayern-Spiel
Abbildung 5: Aktuelle Situation des Trainers von Joshua Kimmich

Wem gegenüber soll sich Joshua Kimmich denn solidarisch erweisen? Seinem zweifach geimpften Trainer gegenüber, der trotz erfolgter Impfung mit nachgewiesener Corona-Infektion das Bett hüten muss (Abbildung 5)? Gegenüber den je nach Lesart des Robert-Koch-Instituts 65% oder 85% der Bevölkerung bisher zweifach Geimpften, damit er sie nicht gefährdet, obwohl sie ja doch geschützt sein sollten? Gegenüber anderen jüngeren Mitbürgern, deren Risiko, schwer an dieser Infektion zu erkranken, extrem gering ist und wo bei weitem nicht klar ist, welchen Nutzen er gegenüber dem Risiko einer Impfung in dieser Altersgruppe erwarten kann?

Was ist falsch daran, wenn Joshua Kimmich zu Recht ausführt, dass er zwar nicht geimpft ist, aber seiner Verantwortung durch regelmäßiges Testen gerecht wird? Zu diesem Thema darf ich auch auf meinen Beitrag „Die Geschichte von den `2G`“ verweisen. Wer die Sinnhaftigkeit der Tests nicht anzweifelt, muss auch akzeptieren, dass sie genau das bewirken: eine Sicherheit, dass jemand bei aktuell negativem Testergebnis nicht Träger des Virus ist und ohne klinische Symptomatik auch kein Überträger sein kann. Und wenn er sie anzweifelt, dann können wir aufhören zu testen.

Wohin führt uns das?

Was hinter dieser in keiner Weise akzeptablen medialen Darstellung erkennbar ist, lässt sich kaum unterschätzen. Da wäre zum ersten, dass das Niveau des „klassischen“ Online-Journalismus sich im Falle differenter Meinungsäußerung offenbar mehr und mehr dem annähert, was auf anderen Plattformen mit dem gräßlichen Begriff „Shitstorm“ bezeichnet wird. Zum zweiten, und das empfinde ich fast als noch schlimmer, scheint es im Zusammenhang mit Diskussionen und Äußerungen rund um die Themen „Corona-Virus“ und „Impfung“ medial keinerlei sachlich-kritische Recherche und Publikationen zu geben. Weshalb hinterfragen die beiden Journalisten und andere nicht, was es mit Langzeitstudien überhaupt auf sich hat, auf welcher wissenschaftlichen Basis diese überhaupt durchgeführt werden könnten, wozu sie eigentlich gut sind, ob es diese derzeit überhaupt gibt, welche Fragen aus solchen Langzeitbeobachtungen in Bezug auf die Anwendung eines neuen, in dieser Form noch nie angewendeten Impfstoffes auf mRNA-Basis beantwortet werden könnten? Und um auch dies hier noch einmal klarzustellen: Hierbei geht es nicht um die Aussage eines „Impfskeptikers“ Joshua Kimmich, sondern um Fragen, die die vielen Millionen Menschen, welche diese Impfstoffe mittlerweile injiziert bekamen, mindestens genauso interessiert, oder interessieren sollte. Also auch hier die Frage: Was ist falsch daran, wenn Joshua Kimmich darauf hinweist, dass es hier zumindest bisher eine wahrscheinlich nicht ganz kleine Lücke im Wissen um Wirkung und Langzeiteffekte der verwendeten Impfstoffe gibt?

Da wäre zuletzt noch die sehr offensive, um nicht zu formulieren, aggressive Weise von Herrn Lauterbach, Joshua Kimmich zur Impfung zu bewegen. Weshalb tut er das? Was will er denn damit demonstrieren? Dass er für eine Impfpflicht wäre? Dass er das moralische Recht gepachtet hat? Es bleibt leider im Nebel; was jedoch bleibt, ist der massive Versuch der politisch motivierten Einflussnahme auf eine Einzelperson unter Missachtung der Persönlichkeit. Hier verfehlt der gerade von seinem Wahlkreis für den Bundestag wiedergewählte Karl Lauterbach seine Aufgabe komplett: Sich um die Belange der Wähler zu kümmern, sie als Persönlichkeiten ernst zu nehmen und ihre Interessen auch dann zu vertreten, wenn es nicht so sehr um Lautstärke, sondern um Sachlichkeit geht. Ob sich seine hier demonstrierte Haltung mit der Tätigkeit als Abgeordneter vereinbaren lässt, ist eine andere Diskussion.

6 Antworten auf „Hexenjagd“

  1. Ich hoffe nur, dass Joshua Kimmich standhaft bleibt.
    Für mich wird hier wieder deutlich, dass Politiker lieber einen eventuell falschen Weg weitergehen als einen Fehler einzugestehen. Und Herr Lauterbach hat sich eben schon sehr weit auf dem meiner Meinung nach falschen Weg begeben und sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Schade, dass solche Politiker unsere gesellschaftliche Ausrichtung mitbestimmen. Und was die Medien angeht, wird wie du es richtig darstellst nicht mehr auf Fakten basierend gearbeitet sondern meistens auf Vermutungen. Das ist sehr schade.

    Bleibt alle schön Gesund durch eine ausgewogene Ernährung und Bewegung. Dazu wird mir im übrigen in den Medien auch zu wenig berichtet. Wäre ja auch zu einfach und nicht reißerisch genug.

    Liebe Grüße Henning

  2. Guten Morgen, Herr Dr. Krakor,

    – vielen Dank für die differenzierte Darstellung im „Fall“ Kimmich.
    – Kimmich wird ja durch Anwendung der 1G – Regel seiner Verantwortung als Ungeimpfter gerecht.
    – Es besteht m. E. die Möglichkeit, dass der 1. FC Bayern als ‚Speerspitze‘ einer demnächst zu erwartenden Kampagne für den Totimpfstoff auftreten könnte.
    – Haben Sie Zeit und Lust, in gewohnt wissenschaftsorientierter Darstellung Anmerkungen zum
    ‚LongCovidSyndrom‘ zu verfassen?
    Mit freundlichen Grüßen: Udo Eichweber

    1. Hallo Herr Eichweber,
      vielen Dank. Dieses Thema war auch schon in meinen Gedanken; ich werde Ihre Anregung auf jeden Fall aufnehmen und dazu einen Beitrag veröffentlichen.

  3. Guten Abend Ralf,
    ich verfolge mit großem Interesse Deine Ausführungen zur COVID-19 Pandemie. Am Anfang stand ich der Impfung sehr skeptisch gegenüber. Nachdem ich selbst an Corona erkrankt war, habe ich mich dann doch für eine Impfung entschieden. Leider gibt es doch einige Patienten, die nach einer COVID-19- Erkrankungen , immer noch Probleme haben. Wie siehst Du aus medizinischer Sicht ,trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, dass wir die Pandemie nicht in den Griff bekommen?
    Herzliche Grüße
    Gudrun

    1. Hallo Gudrun,
      vielen Dank. Zunächst: Ich bin kein Epidemiologe und maße mir daher auch nicht an, eine epidemiologische Einschätzung der Situation abzugeben. Allerdings hat die Beobachtung des Verlaufes der letzten anderthalb Jahre bei mir eine Reihe Fragen aufgeworfen, denen ich nun versuche, auf den Grund zu gehen, soweit das gelingen kann. Zu einigen Aspekten wird es bereits heute und in den kommenden Tagen weitere Beiträge geben. Aber Ich werde Deine Frage nach der „epidemiologischen Situation“ zum Anlass nehmen, auch darüber einige meiner Gedanken zu publizieren, ebenso wie auch zur Frage der Langzeit-Wirkung einer Covid-19-Erkrankung.

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