Fleischeslust

Newsletter #4

Kennen Sie „Blue Breeze“? „Livin Blues“? Wahrscheinlich nicht, aber sehr zu empfehlen. Ehrliche, klare Musik, die auch im Digital-Re-Mix nicht allzu viel Verlust zeigt. Hat aber leider einen Haken – stammt von 1976. Kein Tippfehler. Vor CD, Blue Ray, Internet sowieso. Kann man aber heute trotzdem erwerben. Ich bin absolut davon überzeugt, dass die Typen sich damals niemals erträumt hätten, im Jahr 2020 importiert auf iTunes zu laufen.

Wie ich darauf komme? Wahrscheinlich, weil ich das Album gerade höre und dabei gelesen habe, dass wir Deutschen im Jahr 2019 ungefähr 8 Millionen Tonnen Fleisch produziert haben. Von ca. 60 Millionen geschlachteten Tieren erzeugt, das meiste davon Hühner und Schweine.

Sind wir irre? Das macht etwa 100 kg Fleisch im Jahr für jeden. Inklusive Altersheim und Babywiege. Ist das noch zu fassen? Jeden Tag etwa 275 Gramm. Oder 1,9 Kilogramm pro Woche. Was für eine verrückte Zeit. Innerhalb von 45 Jahren sind wir weit gewandert, von handgemachter Musik – heute natürlich handcraft oder manufactured genannt – bis zu industrieller Fleischproduktion in Brechreiz erzeugendem Übermaß. Da können wir uns über Details der Ernährung unterhalten oder darüber, was alles getan werden könnte, um vielleicht doch gesund zu bleiben. Da können wir hingehen und mit einer irgendwie ausgeklügelten Medikation den Blutdruck noch um 2,3 mmHg oder so nach unten drücken. Angesichts dieser Zahlen ist das reine Augenwischerei. Ich spitze jetzt mal zu und sage, die Krankenkassen und damit letztlich wir alle mit unserem Beitrag alimentieren den hohen Fleischverbrauch. Wieso? Nun, erst viel (fr)essen, dann versuchen, das Ergebnis zu heilen. Das kostet. Erst am Anfang, dann am Ende noch einmal. Was für ein verquerer Unsinn.

Da mag unsere Landwirtschaftsministerin zu Recht feststellen, dass wir unser Verhältnis zum Fleisch ganz allgemein und zum sog. Billigfleisch erst recht überdenken sollten. Und das dieses gestörte Verhältnis ein Teil des Problems ist. Das hilft solange nichts, solange bei jedem Einzelnen und auch politisch kein Umdenken einsetzt, hin zu mehr Vernunft und zu mehr Achtung anderer Kreaturen. Ich bin weit entfernt davon, kein Fleisch zu essen. Fleisch gehört zu unserer Ernährung wie vieles andere auch. Aber müssen es wirklich 100 kg im Jahr sein? Sicher nicht. Ein paar Prozent davon reichen locker aus, um den entsprechenden Bedarf an Vitaminen und Nährstoffen zu sichern, die im Fleisch enthalten und für uns als naturgegebene Alles(fr)esser wichtig sind. Ab und zu ein bisschen Fleisch ist besser als jede intramuskuläre Injektion von Vitamin B12. 

Aber dafür reichen maximal 36 Gramm pro Tag, macht ca. 250 g pro Woche oder 13,5 kg im Jahr.  Es darf auch weniger sein, aber 87 kg weniger pro jedem der 80 Millionen vermindert die Menge auf etwas mehr als 1 Million Tonnen. Oder erspart 52 Millionen Tieren die Schlachtung inklusive einem ziemlich unangenehmen Leben in irgendeinem Mikro-Stall mit anschließender industrieller Hinrichtung. 

Vegetarismus und erst recht Veganismus sind persönliche Überzeugungen, die ich respektiere, aber nicht komplett teile. Angesichts der vorliegenden Zahlen und des nicht erkennbaren Willens, unsere Lebensweise wieder anders zu begreifen, vielleicht wieder etwas mehr mit den „alten“ Maßstäben, könnten einem Zweifel kommen. Shaylina („Blue Breeze“).

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Eine Antwort auf „Fleischeslust“

  1. Ein sehr guter Beitrag.
    Seit ich meinen Fleisch-und Wurstkonsum stark verringert habe,sind auch meine Blutdruckwerte gesunken.
    Ich konnte sogar die Medikation verringern.

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